Willkommen bei Red:out! KPÖ 

Antrag zu gleichgeschlechtlichen Partner/innen/schaften

  • Montag, 6. Dezember 2004 @ 19:57
  • Angezeigt 5,680
Positionen Der 33. Parteitag der KPÖ hat auf Antrag der Parteigruppe Red:out! mit großer Mehrheit folgende aktuelle politische Stellungnahme beschlossen:

"Für die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaften" In der Frage der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaften fordert die KPÖ ein Ende der Diskriminierung und eine völlige rechtliche Gleichstellung statt halbherziger Kompromisse. Unterschiedliche Lebensformen (Wohngemeinschaften, Ehe und Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen, Singles, Alleinerzieherinnen) dürfen keine Diskriminierungen nach sich ziehen. Das Steuer- und Sozialrecht ist gegenüber allen Formen des
Zusammenlebens neutral zu gestalten.

Die Debatte zur sogenannten "Homo-Ehe" hat wieder einmal gezeigt: das offizielle Österreich und besonders die schwarz-blaue Bundesregierung hinken gesellschafts-politischen Entwicklungen mindestens zehn Jahre hinterher. Was die Bundesregierung als Ergebnis dieser Sommerdebatte anzubieten hatte, war nichts anderes als das Aufzählen bereits in einzelnen Bereichen erkämpfter Rechte. Auch die von SP und Grünen zu diesen Thema präsentierten Vorschläge - die "Eingetragene Partnerschaft" der SP bzw. der "Zivilpakt" der Grünen - greifen unserer Meinung nach zu kurz: Faktisch laufen beide Vorschläge der parlamentarischen Opposition darauf hinaus, für Homosexuelle eine Art "Ehe-light" zu schaffen, krampfhaft bemüht, nicht an der "Institution Ehe" zu kratzen und (im Fall der SP) sogenannte "Tabuthemen" z.B. das Adoptionsrecht oder Sorgerechtsfragen gleich von vornherein auszuklammern.

Beide Vorschläge sind für uns unzureichend: Die Forderung nach Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaften kann nicht in einer Schlechterstellung im Vergleich zur traditionellen heterosexuellen Ehe münden. Wir möchten keine Lösung unterstützen die, anstatt endlich eine rechtliche Gleichstellung zu schaffen, weitere Diskriminierungen in Gesetzesform gießt. Genauso wäre es ein Rückschritt - kurz nach der Abschaffung des §209 StGB - erneut einen Sonderparagraphen zu schaffen, der wiederum nur für Menschen gelten soll, deren sexuelle Orientierung von einer vermeintlichen Norm "abweicht" wie es die SP-Forderung nach der Schaffung einer "Eingetragenen Partnerschaft" bedeutet. Der Vorschlag der Grünen, die Schaffung eines sogenannten Zivilpaktes (ZIP) geht zwar von der Konzeption her einen Schritt weiter, es stellt sich aber die Frage, warum es neben der Ehe mit dem ZIP ein eigenes Rechtsinstitut braucht, wenn dort - wie von den Grünen gefordert - von marginalen Unterschieden abgesehen faktisch die gleichen Rechte und Pflichten wie in einer Ehe gelten sollen.

Unsere Forderungen lautet daher:

- Öffnung der standesamtlichen Ehe auch für gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften (wie in den Niederlanden und in Belgien)

- Gleicher Rechtsschutz für unverheiratete gleichgeschlechtliche PartnerInnen wie bei heterosexuellen nichtehelichen Lebensgemeinschaften

- Gleichzeitige umfassende Modernisierung des Ehe- und Familienrechts

Alles andere wäre kein Abschaffen sondern ein Fortschreiben von Diskriminierungen und ein Abqualifizieren von gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaften als "Ehe 2. Klasse" denen - notgedrungen - ein gewisses Minimum an Rechten zugestanden, die völlige Gleichstellung aber weiterhin verwehrt wird.


Begründung:

Auch wenn sich die Debatte zur sogenannte. "Homo-Ehe" als klassisches Sommerthema präsentierte, steht in diesem Fall mehr dahinter. Durch eine Entscheidungen des EuGH (1) sowie zur Umsetzung anstehende und von der Bundesregierung bis dato nur sehr halbherzig verwirklichte EU-Richtlinien (2) war und wird Österreich in diesem Bereich demnächst zum Handeln gezwungen sein - eine Fortsetzung dieser Debatte spätestens nächstes Frühjahr ist daher zu erwarten.

Zur momentanen rechtlichen Situation: in der gängigen österreichischen Rechtspraxis (mit einigen Ausnahmen auf Landesebene in einzelnen Bundesländern) sind gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften quasi nicht-existent; gleichgeschlechtliche PartnerInnen gelten vor dem Gesetz als Fremde; Daraus ergibt sich eine massive Ungleichbehandlung gegenüber den Rechtsschutz den heterosexuellen Beziehungen haben: so im Bereich Gesundheit (es gibt es kein gesetzliches Besuchs- und Auskunftsrecht im Spital, man/frau gilt nicht als Angehöriger); im Fremdenrecht (Familienzusammenführung gibt es nur für EhegattInnen, nicht aber für gleichgeschlechtliche LebenspartnerInnen), im Fortpflanzungsmedizinrecht (ein lesbisches Paar oder eine alleinstehende Frau können derzeit nicht die Möglichkeit der - späteren - Zeugung eines Kindes mit Hilfe einer Insemination oder In-Vitro Fertilisation wahrnehmen), im Sorge- und Adoptionsrecht sowie im Miet-, Erb- und Steuerrecht. Es gibt keinen Anspruch zur Pflegefreistellung bzw. Hospizkarenz für gleichgeschlechtliche ParnterInnen, kein Verständigungs- und Beiziehungsrecht im Falle einer Festnahme, kein Zeugnisentschlagungsrecht im Zivilprozess oder im Verwaltungsverfahren.

All dies stellt eine massive Ungleichbehandlung gegenüber heterosexuellen Beziehungen dar, die in Österreich durch das Rechtsinstitut der Ehe sowie durch gewisse Rechte für nichteheliche Lebensgemeinschaften abgesichert sind.

Ob die Ehe bzw. ein eheähnliches Rechtsinstitut den Lebensrealitäten der Mehrheit der Lesben und Schwulen entspricht sei dahingestellt - dass das Fehlen einer solchen rechtlichen Absicherung eindeutig eine Schlechterstellung bedeutet zeigt sich in der Praxis jedoch immer wieder in jenen Fällen wo es um die Führung eines gemeinsames Haushalts (Mietrecht), um Sorgerechtsfragen wenn es Kinder in der Beziehung gibt oder wenn es bei binationalen PartnerInnenschaften zwischen ÖsterreicherInnen und "Nicht-EU-BürgerInnen" um das Aufenthaltsrecht des/der PartnerIn ohne österreichische Staatsbürgerschaft geht.
In 16 europäischen Staaten gibt es bereits verschiedene Formen der rechtlichen Absicherung für gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften - weitere Staaten wie die Schweiz, Großbritannien oder Spanien arbeiten an der Umsetzung bzw. stehen kurz vor der Einführung entsprechender Rechtsinstitute.

Erst vor kurzem hat das Europäische Parlament in einer Entschließung erneut die Mitgliedsstaaten aufgefordert, "jede Form der - gesetzlichen oder tatsächlichen - Diskriminierung abzuschaffen, unter der Homosexuelle insbesondere im Bereich des Rechts auf Eheschließung und auf Adoption von Kindern noch immer leiden". (3) Auch durch mangelhafte Umsetzung selbst auf EU-Ebene mitbeschlossener Richtlinien (4) und bereits anhängiger Klagen (5) wird sich selbst die schwarz-blaue Bundesregierung demnächst wieder mit diesem Thema beschäftigen müssen. Wir erachten es als wichtig, das auch die KPÖ mit einer reflektierten eigenen Position in den entscheidenden Teil 2 dieser Debatte eingreift.




Anmerkungen

(1) Karner gegen Österreich, erfolgreiche Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Dieser verurteilte im Juli 2003 Österreich wegen seiner diskriminierenden Anwendung des Mietrechtsgesetz (MRG) in Bezug auf gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften. Seither müssen zumindest beim Eintrittsrecht gemäß § 14 Abs. 3 MRG gleich- und verschiedengeschlechtliche
LebensgefährtInnen gleichbehandelt werden. Die von der Bundes – ÖVP angekündigten "Verbesserungen" für gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften sind nichts anderes als die vor dem EGMR erstrittenen Rechte und eine Aufzählung bereits bestehender Einzelrechte; soviel zur ÖVP – Definition von "Verbesserungen".

(2) Gemeint sind damit vor allem: "Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" (2000/78/EG) sowie die "Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungs-grundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" (2000/43/EG). Die Richtlinie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse verbietet Rassendiskriminierung in zahlreichen Bereichen, einschließlich Zugang zu Arbeitsplätzen, Arbeitsbedingungen, Bezahlung, Bildung, Zugang zu Waren und Dienstleistungen und Sozialschutz. Die Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verbietet Diskriminierung aus Gründen des Alters, einer Behinderung, der Religion oder der Weltanschauung und der sexuellen Orientierung im Bereich der Beschäftigung und der Berufsausbildung.

(3) P5_TA-PROV(2003)0376 - Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2002) (2002/2013(INI))
Pkt. 77. und Pkt. 81. (Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung)
Im Wortlaut:

[Das Europäische Parlament, ]

(..)

77. fordert noch einmal von den Mitgliedstaaten, jede Form der gesetzlichen oder tatsächlichen Diskriminierung abzuschaffen, unter der Homosexuelle insbesondere im Bereich des Rechts auf Eheschließung und auf Adoption von Kindern noch immer leiden;

(...)

81. empfiehlt den Mitgliedstaaten, generell nichteheliche Formen der Partnerschaft sowohl zwischen Personen verschiedenen als auch zwischen Personen gleichen Geschlechts anzuerkennen und ihnen die gleichen Rechte wie ehelichen Gemeinschaften einzuräumen, etwa indem die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um den Partnern Freizügigkeit in der Union zu ermöglichen;

(4) Die Umsetzungsfrist für die "Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" (2000/43/EG) endete am 19. Juli 2003. Für die "Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" (2000/78/EG) lief die Umsetzungsfrist im Dezember 2003 ab. Da Österreich es verabsäumt hat, diese Richtlinien innerhalb der vorgegeben Frist in nationales Recht um zusetzen (d.h. eigene Antidiskriminierungsgesetze zu schaffen) hat die EU-Kommission im Juli 2004 Vertragsverletzungsverfahren (6) gegen Österreich sowie vier weitere EU-Staaten eingeleitet. Quasi als Antwort darauf präsentierte die Bundesregierung das Bundesgesetzes über die Gleichbehandlung (GlBG) das nur ein absolutes Minimum der EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzt und in weiten Teilen lückenhaft ist. Dieses Gesetz wird von allen betroffenen NGOs entschieden abgelehnt (Gemeinsame Stellungnahme von AGEZ - Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit, AI - amnesty international Österreich, Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, Wiener Integrationsfonds, Wiener Integrationskonferenz, SOS-Mitmensch, ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit)

(5) Beim Verfassungsgerichtshof anhängige Beschwerde eines amerikanischen Staatsbürgers gegen die Entscheidung der (österreichischen) Fremdenbehörde. Er hatte in den Niederlanden rechtsgültig einen deutschen Staatsbürger geheiratet. Das Paar wollte aus beruflichen Gründen nach Wien übersiedeln, die österreichischen Behörden weigerten sich jedoch, die niederländische gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen und dem amerikanischen Ehegatten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu erteilen. Die (aussichtsreiche) Beschwerde basiert auf der EU- RICHTLINIE "Das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen,
sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten" (2004/38/EG)

(6) Diese Entscheidung der Kommission bedeutet, dass die betreffenden Mitgliedstaaten zwei Monate Zeit haben, um auf eine "begründete Stellungnahme" der Kommission zu antworten. Danach können sie sich als nächsten Schritt mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof konfrontiert sehen.