Willkommen bei Red:out! KPÖ 

Volksstimme-Debatte über PartnerInnenschaften: "Ficken zu dritt!" (Archiv / 2001)

  • Sonntag, 14. Januar 2007 @ 13:25
  • Angezeigt 6,798
Archiv In der (damaligen) Wochenzeitschrift Volksstimme lief über mehre Wochen eine Debatte über eingetragene PartnerInnenschaften für gleichgeschlechtliche Paare. Hier der Beitrag von Eike Stedefeldt, Publizist und Redakteur der sexualpolitischen Zeitschrift "Gigi" in Berlin. Ficken zu dritt!

"Emanzipieren kann man sich nur von einem repressiven System, nicht in ihm." Von Eike Stedefeldt

Die Verheiratung ist an sich eine Zirkusnummer: Da treten nicht ein, nicht drei, nicht sieben, sondern -- womit wir das Thema individuelle Wahlfreiheit bereits abhaken können -- erlaubterweise exakt zwei Artisten (inklusive Artistinnen, pardon!) verschiedenen Geschlechts vor einen wildfremden, aber beamteten Dritten, um glaubhaft zu versichern, einander immer und ewiglich zu lieben etc. Die gerechte Strafe fürs Ja-Wort ist "lebenslänglich", das Lösegeld verdientermaßen hoch.

Es gibt drei wesentliche Gründe, so lächerliche Dinge in meist grotesker Kostümierung aufzuführen: 1. Romantik, 2. Dummheit und 3. Geld. Das mit großem öffentlichen Aufwand in die rechten Bahnen gelenkte Urbedürfnis nach Romantik führt uns unweigerlich zur Dummheit, denn putzige Rituale vernebeln trefflich die Sinne dafür, dass eine Eheschließung zum wenigsten das Binnenverhältnis zweier Personen, sondern vielmehr das Außenverhältnis ihrer Beziehung zum Staat definiert. Nur so ist erklärlich, warum der amtlich legalisierte Koitus im Volksmund nicht längst "Ficken zu dritt" heißt.

Schon sind wir bei Punkt 3, also bei Karl Marx, dem Primat der Ökonomie und Helga Pankratz. Sie meint, und das offenbar ernst, "so viel und so wenig wie Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das ihnen zugestandene Wahlrecht 'von Macht korrumpiert' wurden, so viel oder wenig werden Lesben und Schwule wohl durch eine ihnen zugestandene 'Ehefähigkeit' im 21. Jahrhundert gezähmt und gegängelt werden. Außerdem ist mir die Ausdehnung des Rechts auf Ehe auf diese bislang ausgegrenzt gewesene Gruppe nicht ernsthaft vorstellbar ohne auflockernde Auswirkungen auf den traditionellen Ehe- und Familienbegriff." Heiterkeit im Saal: Wie herrlich hat doch das Frauenwahlrecht im 20. Jahrhundert das staatlich geschützte und organisierte grundlegende Unterdrückungsverhältnis -- das Kapital -- "aufgelockert"! Jagte man ein halbwegs ausgereiftes Dialektik-Programm über das Zitat, es schlüge vor Entsetzen die Hände vors Gesicht und meldete einen schweren Systemfehler. Als fiele das Frauenwahlrecht unter den Bedingungen der monopolisierten Medienwelt und des ebenso monopolisierten Parteienstaats nicht allenfalls noch unter die Rubrik Folklore -- genau wie das Männer- oder meinetwegen Zierkürbiswahlrecht. (Apropos: Haben eigentlich nur sog. Männer Haider gewählt?)

Analog verhält es sich mit der im Sinne des Kapitals durchaus profitablen moralischen Anstalt Ehe: Sie bindet private Beziehungen in ein übergeordnetes Verhältnis ein, enthebt sie ihrer Souveränität, indem sie Rechte und Pflichten verleiht an jene, die sich ihm zu unterwerfen gezwungen sehen und jene bestraft, die sich verweigern. So schafft sich das Kapital ganz charmant und objektiv graue, funktionierende Massen. Paar- und kleinfamilienweise vereinzelt, als ökonomische Subjekte mit gemeinsamen (Klassen-) Interessen voneinander entsolidarisiert, verlieren sie als Verkörperung des variablen Kapitals, der Lohnarbeit also, letztlich ihre kollektive Kraft. Flankiert wird das Ganze vom neoliberalen Subsidiaritätsprinzip: Steuergeschenke -- in der BRD jährlich 40 Mrd. Mark -- erzwingen förmlich die Ehe und ihren Erhalt. Begehrt aber eine/r vom Staat Lohnersatz, wird dieser mit dem Einkommen der/des Gatten verrechnet.

So sieht das aus mit der Wahlfreiheit namens Ehe bzw. Eingetragene Partnerschaft, die in letzter Konsequenz Teil eines gesellschaftlichen Rechtsrucks, der erneuten Beschwörung "traditioneller Werte" einer geschlossenen "Volksgemeinschaft" ist. Solche Zumutungen des Kapitalverhältnisses auf jene ausdehnen zu wollen, die bisher das Glück hatten, als Perverse davon ausgeschlossen zu sein, und die Dummheit, zu glauben, mit einem als Ausdruck von Liberalität getarnten Akt repressiver Toleranz irgend etwas Althergebrachtes in seinem Wesen aufweichen zu können, legitimiert den von Pankratz beklagten Verratsvorwuf an schmalspurige Homophilenvereine wie die HOSI. Homo-Ehe in jeglicher Leicht- und Schwerversion verrät alles und jedes, was nach Befreiung strebt: Frauen, Homosexuelle, Lohnabhängige, AusländerInnen -- Unterdrückte jeder Couleur. Sie untergräbt kein einziges Ausbeutungsverhältnis. Oder -- um im angestammten homosexuell-bürgerrechtelnden Kleinbiotop zu bleiben -- "eine Integrationspolitik, die die Anpassung der Schwulen und ihre Einbindung in heterosexuelle Partnerschaftsvorstellungen betreibt und deren normative Institutionen als für Schwule tauglich und erstrebenswert darstellt ..., entlarvt sich als weiteres Instrument der Unterdrückung. Die emanzipatorische Aufgabe der Schwulenbewegung wird im Gegenteil darin bestehen ..., den kultur- und gesellschaftskritischen, teilweise utopischen Gehalt schwuler Lebensformen herauszustellen."

Das stand 1990 im ersten Dokument des heutigen Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD). Keine Dekade später lautet dessen Motto "Gleich viel Recht für gleich viel Liebe" und sitzen in seinen Schlüsselpositionen Christ- und Sozialdemokraten und vor allem eine grüne Politiker-Riege, "die von ihrem inneren Wertekompaß her eigentlich zur CDU tendiert; die sind da nur nicht gelandet, weil ihnen diese Partei zu spießig oder zu langweilig ist", wie der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler 1998 dem späteren Koalitionspartner attestierte. Linken wird seit Jahren der Zugang verwehrt zu diesem Verband, dessen Losung die Homosexuellen Initiativen Österreichs in bester Heim-ins-Reich-Manier übernahmen ohne zu begreifen, dass es "Gleich viel Unrecht für ..." Ach, lassen wir das.

Eike Stedefeldt ist Publizist und Redakteur der sexualpolitischen Zeitschrift "Gigi" in Berlin (www.gigi-online.de).