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Homosexualität in der Vergangenheit der KPÖ

  • Sonntag, 9. November 2014 @ 11:08
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Positionen Am 36. Parteitags der KPÖ wurde folgender Antrag beschlossen: Der Bundesvorstand wird damit beauftragt, als ein Element eines erneuerten Geschichtsbildes auch das Thema „Homosexualität in der Vergangenheit der KPÖ“ zur Diskussion zu stellen und die Ergebnisse in geeigneter Form zu präsentieren. Begründung:

An die humanistischen Ideen des Marxismus und die Realität des Sozialismus knüpften sich vielfältige Hoffnungen auf die gesellschaftliche Emanzipation der Homosexuellen und ein Ende der Homophobie. Eine Hoffnung, die durch die Praxis der sozialistischen Länder und die Politik der kommunistischen Parteien nicht eingelöst wurde. Homosexualität blieb ein in kommunistischen Zusammenhängen wenig beachtetes Thema. Auch die KPÖ reflektiert in ihrer Haltung sämtliche Widersprüche, die mit dem Spannungsfeld „ArbeiterInnenbewegung und Homosexualität“ verbunden sind. Und dies in allen Phasen ihrer Geschichte: Ob sich auch die KPÖ in den 1920er Jahren – wie die KPD – für eine Beseitigung von Sondergesetzen gegen Homosexuelle eingesetzt hat, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforscht. Sehr wohl finden sich positive Bezugnahmen auf die sexualreformerische Diskussion und die fortschrittlichen Gesetzgebungsmaßnahmen der jungen Sowjetunion. Jedoch wurden in den 1930er Jahren in der Publizistik der Partei auch antihomosexuelle Vorurteile als Mittel der politischen Auseinandersetzung benutzt, vor allem wenn es darum ging, das Stereotyp vom „homosexuellen Nazi“ zu bedienen. Analog zur restriktiven Sexualmoral der Stalin-Zeit wurde Homosexualität schließlich als Krankheitssymptom und Dekadenzerscheinung gewertet. Nach 1945 wurde die Benachteiligung von Lesben und Schwulen in den Staaten des realen Sozialismus kritiklos zur Kenntnis genommen bzw. tabuisiert.

Ebenso fehlte eine Kritik an den strafgesetzlichen Bestimmungen gegen Homosexuelle und an der repressiven Sexualmoral in Österreich selbst. In politisch-programmatischen Stellungnahmen spielten emanzipatorische, gegen die Homosexuellendiskriminierung gerichtete Forderungen keine Rolle. In der politischen Kultur der KPÖ wiederum spiegelten sich nicht nur die politischen Halbheiten der internationalen kommunistischen ArbeiterInnenbewegung, sondern auch der patriarchale Charakter der österreichischen Gesellschaft, der den Geschlechterverhältnissen in der KPÖ seinen Stempel aufdrückte. Auch ihre Mitglieder waren nicht frei von den Wertvorstellungen und Vorurteilen der bürgerlichen Gesellschaft, homophoben Ressentiments wurde nicht entschieden entgegen getreten, sodass es in der KPÖ für Homosexuelle keine angstfreie Atmosphäre gab.

Erst in den 1970er und verstärkt in den 1980er Jahren wurde diese Tabuisierung aufgeweicht. Der Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen wurde in weiterer Folge als Bestandteil des Kampfes um mehr demokratische Rechte erkannt, wobei zunächst noch eine gewisse Distanz zur Emanzipationsbewegung der Homosexuellen kennzeichnend blieb. Seit ca. 15 Jahren ist die Parteigruppe red:out (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender der KPÖ) darum bemüht, lesbischwule Themen breiter in der Partei zu verankern.

Warum dieser Abänderungsantrag zum Antrag Nr. 10?
Ungeachtet der angeführten Halbheiten und Widersprüche wird auch eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema „Homosexualität und KPÖ“ kaum die Annahme stützen können, dass eine systematisch entwickelte homosexuellenfeindliche Politik der KPÖ „Opfer“ hervorgebracht habe, bei denen sich zu entschuldigen nun angezeigt wäre. Eine solche Behauptung per Parteitagsbeschluss festzuschreiben, würde der Kompliziertheit und Sensibilität der Materie kaum gerecht werden. Auch eine simple Dokumentation homophober Erscheinungen und Äußerungen in einem Reader würde ihren Zweck verfehlen, geht es doch darum, die Stellung der Partei zu diesem Thema umfassend in ihrer Widersprüchlichkeit darzustellen, und nicht nur in Gestalt eines Sündenkatalogs oder „Schwarzbuches“.

Aktuell politische Forderungen nach einem Ende der Diskriminierung und einer Gleichstellung homosexueller Partnerschaften wiederum wurden bereits vom 33. Parteitag im Dezember 2004 zum Beschluss erhoben. Es ginge darum, den Inhalten dieser bereits gefassten Beschlüsse einen größeren Stellenwert in unserer Politik zu geben, und weniger darum, sie als Anhängsel eines in zweifelhafter Weise vorgetragenen innerparteilichen Anliegens zu platzieren.