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Ist nach der Wahl vor der Wahl?

  • Freitag, 29. September 2006 @ 10:59
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Aktuell Was bleibt am 2. Oktober übrig von den Ansagen, Versprechen und Programmpunkten der Parteien? Henry Kissingers Ausspruch \"Nach der Wahl ist vor der Wahl\" bezog sich auf das Dillema, praktisch ständig im Wahlkampf zu stehen. Wäre das eine Garantie dafür, dass die etablierten Parteien auch nach der Wahl noch ernst nehmen, was für sie vor der Wahl Programm war, wäre das eigentlich nicht schlecht.

Vor der Wahl...

Beobachtet man den Wahlkampf und die Ansagen der Parteien aus les:bi:schwuler Sicht so fällt folgender Widerspruch ins Auge:

Nach eigener Aussage sind sowohl für SPÖ als auch für die Grünen die Gleichstellung Homosexueller Koalitionsbedingung sine qua non. Das ist schön, das ist gut, hat nur einen kleinen Haken: die ÖVP. Denn die ist für beide der wahrscheinlichste Koalitionspartner nach der Wahl.

Nach der Wahl...

Eine Rot-Grüne Mehrheit ist nicht in Sicht, auch wenn gerade die KPÖ sich eine solche Koalition eigentlich nur wünschen könnte - nichts würde so deutlich aufzeigen, wie wenig sich die Politik der vermeidlichen Alternativen SPÖ/Grüne in ihrer neoliberalen Substanz von Schwarz-Blau unterscheidet. Aber das ist Wunschdenken: die ÖVP wird, nicht aus eigener Kraft, aber dank der schwachen Performance der SPÖ stimmenstärkste Partei bleiben. Die Grünen werden auf hohen Niveau (sie sind prozentuell bereits eine der stärksten grünen Parteien Europas) Zehntelprozente zulegen aber nicht in einem Ausmaß das eine Koalition mit der SPÖ ermöglichen würde. Die FPÖ übernimmt die Aufgabe aufzuzeigen, dass man in Österreich mit dumpfer Xenophobie 12-14% der Wahlberechtigten begeistern kann.

Wenn es sich ausgeht - und das österreichische Wahlrecht und die Mandatsvergabe nach dem d`Hontschen System begünstig die stimmenstärkste Partei, so dass im Extremfall 45% der Stimmen für eine Mehrheit im Nationalrat reichen - wird die ÖVP die billigere Alternative wählen und uns das \"in der oberösterreichischen Landesregierung erfolgreich verwirklichte Projekt\" Schwarz-Grün präsentieren. Sollte es sich nicht ausgehen wird Schüssel in den sauren Apfel beißen und mit einer SPÖ unter alter oder neuer Führung die große Koalition wieder aufleben lassen.

Was wir erleben werden...

In beiden Fällen wird die ÖVP nicht eines ihrer wenigen verblieben gesellschaftspolitischen Kernthemen, die \"heilige christliche Familie\" opfern müssen. Eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften wird es unter einem ÖVP-Kanzler nicht geben. Und sowohl SPÖ und Grüne werden die Koalitionsverhandlungen nicht an diesem Punkt scheitern lassen. Statt einer \"Eingetragenen Partnerschaft\" oder eines \"ZIP\" werden wir \"ein Bündel an Maßnahmen\" zur \"rechtlichen Gleichstellung\" erleben. Ein zahnloses Antidiskriminierungsgesetz bei dem unter ferner liefen auch Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung vorkommt; punktuelle Verbesserungen als Reaktion oder zur Vermeidung weiterer Verurteilungen durch VfGH oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte z. B. in der Frage der Mitversicherung etc.. Das wird \"natürlich bedauerlich sein, das wir hier nicht mehr erreichen konnte\" aber \"man kann in Koalitionsverhandlungen eben nie 100% seiner eigenen Vorstellungen verwirklichen\".


Was übrig beleibt...

Wenn am kommenden Sonntag die ersten Hochrechnungen über die Fernsehschirme flimmern, ist einer der niveau- und themenlosesten Wahlkämpfe der zweiten Republik vorbei und die \"politische Realität\" wird zurückkehren. Nach einer Abkühlphase von vier bis acht Wochen werden die etablierten Parteien wieder ihre Gemeinsamkeiten entdecken. Eine davon wird sein, dass die Lebenssituation von Lesben und Schwulen in der österreichischen Politik ein \"Randthema\" ist und bleiben wird.

Diese düstere Prognose soll in keiner Weise die Entscheidung jener les:bi:schwulen WählerInnen, die ihre Stimme dieses Mal der SP oder den Grünen geben als vergeblich disqualifizieren - so wie gerne von andere Seite eine Stimme für die KPÖ als \"verlorene Stimme\" abqualifiziert wird. Aber sie soll verdeutlichen warum auch bei dieser Wahl eine Stimme für \"qualifizierte Minderheit KPÖ\" genauso - und aus unserer Sicht natürlich noch mehr - Sinn macht.

Für die KPÖ ist diese Wahl und jede dabei gewonnene Stimme wichtig:

Weil sie zeigt, dass es immer mehr Menschen gibt, die einen klaren Standpunkt wählen: gegen Alltagsrassismus und Ellbogengesellschaft und für die gleichen sozialen und politischen Rechte aller unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Religion oder sexueller Orientierung. Eine Grundüberzeugung, die auch nicht aus koalitionstaktischen Gründen aufgegeben wird.

Weil sie zeigt, dass es immer mehr Menschen gibt, die ihre Ablehnung der etablierten Politik als pointierten Widerspruch formulieren: mit Themen und Standpunkten - und nicht mit Verweigerung, Politikverdrossenheit oder Ressentiments.

Und weil ein gutes Ergebnis bei dieser Wahl für die AktivistInnen und FreundInnen der KPÖ jene Basis ist, mit der sie für die KPÖ in die nächsten Runde der Gemeinderatswahlen 2008/2009 gehen: in Linz, Klagenfurt, Villach und Salzburg sind wir bei den letzten Wahlen mit 1,3 - 1,8% jeweils nur um eine Handvoll Stimmen (zwischen 30 und 80 Stimmen) am Grundmandat und am Einzug in den Gemeinderat gescheitert.
Nächstes Mal gewinnen wir.

Für uns ist nach der Wahl vor der Wahl: Bei unseren Standpunkten, bei unserem Überzeugungen. Daran lassen wir uns gerne messen.