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Eine kleine Kontroverse nach der Grazer GR-Wahl

  • Mittwoch, 9. April 2008 @ 15:38
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Aktuell Ulrike Lunacek freut sich in ihrer Kolumne in der Februar-Ausgabe des PRIDE über den 3. Platz der Grünen in Graz und lässt Präferenzen für eine Schwarz-Grüne Kooperation in der steirischen Landeshauptstadt erkennen. En passant bezeichnet sie in ihrem Dreispalter dann noch die Grazer KPÖ als "altbacken", wundert sich darüber "wie konservativ und bieder die (...) angeblich linken Parteien und ihre SpitzenkandidatInnen aufgetreten" sind... Eine kleine Kontroverse nach der Grazer GR-Wahl

Ulrike Lunacek freut sich in ihrer ständigen Kolumne in der Februar-Ausgabe des PRIDE über den 3. Platz der Grünen in Graz und lässt Präferenzen für eine Schwarz-Grüne Kooperation in der steirischen Landeshauptstadt erkennen. En passant bezeichnet sie in ihrem Dreispalter dann noch die Grazer KPÖ als „altbacken“, wundert sich darüber „wie konservativ und bieder die (...) angeblich linken Parteien und ihre SpitzenkandidatInnen aufgetreten“ sind, die „von Moderne anscheinend noch nie was gehört“ hätten. Aber halb so wild, denn auch wenn „vor der Wahl (...) manche ja von einer rot-rotgrünen Stadtregierung in Graz“ träumten, habe sie ja „ehrlich gesagt (...) immer gewundert, wie manche Kalteneggers und Kahrs karitative Einzelfall-Politik als „links“ bezeichnen konnten“. Autsch, da hatte jemand anscheinend viel schnell loszuwerden.

Zwei KPÖ-VertreterInnen haben in Leserbriefen auf Lunaceks Polemik geantwortet; Herbert Wippfel, ganz in der Tradition der steirischen KPÖ, mit dem Zorn des vermeintlich oder tatsächlich Gerechten und Leo Furtlehner (Bundes-KPÖ) in seiner gewohnt nüchtern-analytischen Art.

Ich sag`s mal unpolitisch: als Mensch der sich noch gut erinnern kann, welchen Anfeindungen Ulrike Lunacek als offen lesbische Politikerin in diesem Land in den vergangenen Jahren ausgesetzt war und z.T. immer noch ist, bin ich mit meiner Entrüstung nicht so schnell bei der Hand, wie mancher steirische Genosse. Anderseits entbindet kein persönlicher politischer Background von einem sachlichen Umgang mit dem politischen Gegner, eine "Minderheiten"-Politikerin genauso wenig wie jede/jeden anderen. Und: Wer eine ständige Kolumne in einem Szene-Magazin schreibt, sollte sich bewusst sein, dass solche Kolumnen rasch nicht mehr gelesen werden, wenn sie nur noch zur Rechtfertigung der Parteilinie und zum Hick-Hack mit dem politischen Mitbewerber genutzt werden. Das hat keine journalistische oder literarische Qualität mehr, auch wenn es als Buch verlegt wird. So long, Companeros.

Der Vollständigkeit halber alle drei genannten Beiträge in voller Länge:

Ulrikes Zwischenruf!

von: Ulrike Lunacek

Graz ist schöööön!

Da werden wir also in Graz mit Lisa Rücker (Foto) die erste offen lesbische Stadträtin in einer Landeshauptstadt haben! Das ist neben der Quasi-Niederlage für die islamhetzerische Susanne Winter und ihre FPÖ sowie dem tollen (und in dieser Höhe unerwarteten) Zugewinn der Grünen (14,5% und damit 3. Platz) der dritte Grund zur Freude nach diesem Wahlsonntag in Graz! Beim Schreiben dieser Zeilen ist noch nicht klar, ob es zu einer Zusammenarbeit der Grünen mit dem zweiten Wahlgewinner, dem bisher amtierenden ÖVP-Bürgermeister Nagl, kommen wird. Lisa Rücker hatte vor wie auch nach der Wahl sehr deutlich gesagt, dass dies nur dann möglich sei, wenn sich die ÖVP sowohl in Umweltfragen (Stichwort Feinstaub!!) als auch in gesellschaftspolitischen Fragen (Stichwort Bettlerverbot oder städtische Initiativen für Lesben und Schwule – Näheres im Wahlprogramm auf graz.gruene.at im Kapitel "Menschenrechte") in Richtung Grün "ganz weit vorwärts" bewegen müsse. So hatte Nagl vor nicht allzu langer Zeit gemeint, er würde Homosexuellen gern mithilfe des Glaubens "in die Normalität" zurück helfen. Nun steht ihm mit Lisa Rücker eine offen lesbische Wahlgewinnerin gegenüber, die nicht im Traum daran denkt, sich von ihm in eine von ihm definierte Normalität helfen zu lassen. Woran unsere "Grüne Bürgermeisterin" jetzt denkt, ist, was die beste Verhandlungsstrategie ist, und wie sie und ihr Team in den nächsten fünf Jahren die meisten Grünen Wahlziele erreichen können! Vor der Wahl träumten manche ja von einer rot-rotgrünen Stadtregierung in Graz. Dieser Traum einiger für eine „linke“ Stadtpolitik (ehrlich gesagt hat mich immergewundert, wie manche Kalteneggers und Kahrs karitative Einzelfall-Politik als "links" bezeichnen konnten) hat sich aufgrund der massiven Wahlverluste von SPÖ und KPÖ von selbst erübrigt. Es war aber auch wirklich unglaublich, wie konservativ und bieder die beiden angeblich linken Parteien und ihre SpitzenkandidatInnen aufgetreten sind. Von Moderne anscheinend noch nie was gehört...

Freudlos geht es auch in der rot-schwarzen Koalition auf Bundesebene zu. Da herrscht im Gegensatz zu Graz Stagnation: Die beiden Regierungs“gegnerinnen“ (denn von "Partnerinnen" kann wohl keine Rede mehr sein) streiten trotz guter Vorsätze fürs Neue Jahr und "Schwamm drüber"-Ansagen halblustig weiter und blockieren einander inhaltlich auf niedrigstem Niveau. Nicht einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner schaffen sie, nicht einmal das mini-LebenspartnerInnenschaftsgesetz (ohne Sozial-, Pensions-, Fremden- und Adoptionsrecht) von Justizministerin Maria Berger ist für ÖVP-Justizsprecher Donnerbauer akzeptabel. Vor kurzem befand er zumindest, dass eine Feier schon in Ordnung sei – danke, ÖVP, mehr als nett, dass ihr uns eine Zeremonie zugesteht. Ob ihr uns dies am Standesamt erlauben werdet, habt ihr immer noch nicht entschieden. Und vor der niederösterreichischen Landtagswahl am 9. März wollt ihr schon gar nichts zu diesem Thema entscheiden, denn das könnte euren schwarzen Landesfürsten Pröll ins Wanken bringen... Von wegen altbackene SPÖ und KPÖ in Graz: Der ÖVP gebührt dieser Titel auf Bundesebene.

PRIDE Nr. 102 / Feb. 2008

Leserbriefe, PRIDE nr. 103/Apr. 2008:

Ich habe mich durchaus über einen Zugewinn der Grünen bei den letzten Gemeinderatswahlen in Graz gefreut, allein schon deshalb, weil mich seit vielen Jahren persönliche Freundschaften mit Grün-Aktivistlnnen verbinden. Aber ohne die Euphorie der lieben Ulrike bremsen zu wollen, sehe ich keine Niederlage der Rechten: Die beiden rechtsextremen Parteien haben zusammen 15,16 Prozent der gültigen Wählerstimmen bekommen - das sind immerhin mehr als die Grünen (14,56 %) erreicht haben. Abgesehen davon hat die ÖVP immer darauf geachtet, dass sie rechts niemand überholen kann und somit auch den Weg für diese Stimmung im Gemeinderatswahlkampf vorbereitet. Dass der Bürgermeister im letzten Jahr vor den Wahlen Kreide gegessen hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, für welche Politik speziell die Grazer VP steht.

Wenn die Grünen jetzt glauben, als Juniorpartner neben der ÖVP eine „linke" Politik machen zu können, sind sie wirklich naiv. Vielleicht werden die ÖVP-Mandatarlnnen (hier könnte das Binnen-1 auch weg-leiben) in ihren Äußerungen vorsichtiger worden, vielleicht wird es das eine oder andere Zugeständnis in Sachen Integrationspolitik geben. Aber dass die ÖVP den Grünen zu Liebe ihre mächtige Bau-Lobby in die Wüste schickt oder die Familienpolitik ä la Potzinger revidiert, ist so wahrscheinlich wie ein Tuntenball am Karmeliterplatz.

Herbert Wippel

(designierter Gemeinderat der KPÖ im Grazer Gemeinderat, Vorsitzender von Red:Out! Graz)

Kopfschütteln ruft Ulrike Lunaceks "Zwischenruf" als Nachbetrachtung zur Grazer Gemeinderatswahl hervor. Es sei ihr unbenommen, die KPÖ-PolitikerInnen Kaltenegger und Kahr als "konservativ und bieder" zu betrachten und zu bezweifeln ob deren Politik "links" ist. Lunacek gibt jedoch selbst das Stichwort "Moderne" um klarzustellen, dass die Grünen ganz sicher nicht links sind. Wer sich nämlich mit der ÖVP des Bürgermeister Nagl - Stichworte Türkei, Bettler usw. - ins politische Bett legt, hat einen linken Anspruch grundsätzlich verspielt. Wohin das führt, ist ja in Oberösterreich zu bestaunen, wo die Grünen brav schwarze Politik wie am Beispiel der Privatisierung der Energie AG exekutieren. Und zwar so gründlich, dass sie an einem Argumentationsnotstand leiden, der sich mittlerweile bereits in öffentlicher Diskussionsverweigerung niederschlägt. Von einst grünen Grundsätzen ist da nicht mehr viel zu merken. Und in Graz wird's wohl nicht anders sein. Denn „Moderne" steht wohl auch dort für stramm neoliberal...

Mit freundlichen Grüßen!

Leo Furtlehner

quelle foto: www.gruene.at